Auf der Suche nach kambodschanischer Kultur machten sich unsere zwei Vorstandsmitglieder Selina und Oliver auf eine Veloreise durch die Schweiz. Sie kämpften gegen den Wind an, tauschten sich mit Mitarbeitern eines Vereins/NGO aus und philosophierten mit buddhistischen Mönchen über Religion und Kultur. Ein Erfahrungsbericht von Oliver Schneider.
1. Etappe: Gegenwind
Unsere Reise begann am Dienstag, 6. April 2021, bei 2 Grad Celsius in St. Gallen. Gefühlte zehn Schichten Kleidung sollten uns vor Wind und Kälte schützen. Zürich, das Ziel der ersten Etappe, lag gemäss Navigationssystem 4 h 53 min entfernt. Bereits nach kurzer Zeit mussten wir feststellen, dass unsere Reise wohl etwas länger dauern wird. Der eisige Gegenwind peitschte uns fast die gesamte Strecke über direkt ins Gesicht. So entpuppten sich auch flache Strecken als eine wahre Herausforderung. Geschlagene 8 h später (inkl. Pausen) kamen wir erschöpft und zufrieden in Zürich an.
Smiling Gecko empfängt uns in Dübendorf
Am Mittwoch, 7. April 2021, begaben wir uns um 11 Uhr mit dem Zug nach Dübendorf, wo sich die Büroräumlichkeiten des Vereins Smiling Gecko befinden. Smiling Gecko ist seit 2012 ebenfalls in Kambodscha tätig und hat dort ein ganzheitliches Clusterprojekt aufgebaut. Eines der Ziele von Smiling Gecko ist es, Bildung in Kambodscha zu fördern. Da wir mit EfC denselben Vereinszweck verfolgen, wollten wir mehr über die Tätigkeit eines grösseren Vereins wie Smiling Gecko erfahren, um unsere eigenen Projekte zu reflektieren. Über eine Stunde tauschten wir uns mit dem CEO Alain Biner und Thomas Hemschemeier, dem Marketing- und Kommunikationsverantwortlichen von Smiling Gecko, über die Wohltätigkeitsarbeit aus. Thomas Hemschemeier bestätigte unsere Überzeugung: Bildung ist der Grundbaustein für eine funktionierende Gesellschaft und eine bessere Zukunft für die Kinder Kambodschas. Mit neuen Inputs und Ideen für unsere Vereinstätigkeit mit EfC, machten wir uns auf den Rückweg nach Zürich zu unseren Drahteseln.
2. Etappe: noch mehr Gegenwind
Den Plan für die zweite Etappe mussten wir spontan über den Haufen werfen. Einerseits lernten wir aus den Erfahrungen des vorherigen Tages, dass die Strecke aufgrund des Gegenwindes nicht zu unterschätzen sein wird. Andererseits schmerzte das Knie von Selina so sehr, dass sie mit dem Zug weiterreisen musste. Das Ziel blieb aber dasselbe: Das Khmer Kulturzentrum in Walterswil (SO). So machte ich mich allein auf den Weg und legte die erste Strecke bis nach Baden mit dem Zug zurück. Damit konnte ich gleich auch die etwas schwer zu navigierenden Städteabschnitte umgehen. In Baden schwang ich mich dann aber wieder auf den ledrigen, mit alten Springfedern versehenen Sattel meines Velos. Drei Stunden später kam ich entkräftet und mit schmerzendem Hinterteil beim kambodschanischen Kulturzentrum in Walterswil an.
Das Khmer Kulturzentrum steht allen offen
Meine Schmerzen waren schnell verflogen, als ich von Ven. Sovann Suy, einem 39 Jahre alten buddhistischen Mönch herzlich empfangen wurde. Suy lebt zusammen mit Ven. Viseth Thaing, einem 76 Jahre alten buddhistischen Mönch, und neuerdings auch mit einem Studenten aus Kambodscha im Kulturzentrum. In der Schweiz leben über 3’000 Kambodschanerinnen und Kambodschaner. Viele kennen sich und schätzen den gemeinsamen Austausch, weshalb die Türen des Kulturzentrums immer offenstehen (auch für Nicht-Kambodschaner*innen). Das Khmer Kulturzentrum ist ein Treffpunkt für jedermann und jedefrau.
Eine halbe Stunde später kam auch Selina in Walterswil an und wir kochten gemeinsam unser Abendessen. Beim «gute Nacht Tee» entstand ein angeregtes Gespräch über die kambodschanische Kultur und die Geschichte des Landes, den Buddhismus und den Hintergrund des Kulturzentrums. Als Beispiel folgend eine Anekdote, die uns der ältere Mönch mitgegeben hat. Eine Person geht zu Fuss zur Arbeit und sieht ein Fahrrad. Das möchte sie haben. Am nächsten Tag fährt sie mit dem Fahrrad einen Fluss entlang und sieht ein Motorrad. Das möchte sie haben. Am nächsten Tag kurvt sie mit dem Motorrad einen Pass hinauf und sieht ein Auto. Das möchte sie haben. Je reicher die Person wird, desto reicher möchte sie noch werden. Sie kriegt nie genug. Materieller Reichtum kann die Person also niemals zufriedenstellen, geschweige denn glücklich machen. Nach dieser Anekdote fielen wir todmüde und zufrieden in die orange bezogenen Betten. Am nächsten Morgen luden wir unsere Velos in den Zug und liessen uns von der Lokomotive nach Hause ziehen.